Was ist der grösste Mythos, der klassische Gitarristen unglücklich macht?
„Herr Lieske, gibt es einen grössten Mythos, der uns klassische Gitarristen unglücklich macht?“
Als ich diese Frage vernahm, war ich etwas erschrocken: ein grösster Mythos, der unser Glück mit der Gitarre bedroht? Das gilt doch nur für einige wenige, für mich jedenfalls nicht.
Aber das stimmt leider nicht - jeder von uns ist dieser Gefahr ausgesetzt.
Denn unser Problem ist, dass wir die Welt damit beeindrucken wollen, wie gut, musikalisch und technisch souverän wir spielen können. Nun ist dieses Bedürfnis sicherlich bei jedem Musiker vorhanden und auch verständlich. Und vor allem im professionellen Bereich ist es auch absolut Voraussetzung, das ist klar. Aber, bei Gitarristen fällt doch auf, wie häufig solche Problemsituationen entstehen und beim Musizieren blockieren.
Und das geht auf einen chronischen Minderwertigkeitskomplex zurück. Indem viele Gitarristen denken: „wir haben nicht die Musik von Beethoven, wir haben nicht Schubert, wir haben nicht Bach, wir haben nicht Brahms - viele grosse Werke des klassischen Repertoires stehen uns nicht zur Verfügung. Wir können zwar Originale von Komponisten wie Fernando Sor und Mauro Giuliani spielen - da gibt es natürlich auch nette Stücke - aber das kann sich doch nicht messen mit den Grossmeistern der Klassik.
Da entsteht schon einmal ein Minderwertigkeitskomplex über das Repertoire.
Dann ist auf einmal die Gitarre nicht laut genug, man hört uns nicht, wir können nur vor kleinem Publikum spielen.
Und schließlich es ist auch noch so schwer, fehlerfrei spielen.
Was machen wir mit diesem Mythos und den drei Gründen, weshalb man so schnell scheitern kann und deswegen unglücklich wird?
Es liegt an allererster Stelle an dem fehlenden Selbstbewusstsein. Hier also ein paar Empfehlungen, wie Sie diese überwinden können:
- Spielen Sie nur Stücke, die Sie wirklich bewundern, die Sie wirklich toll finden. Und da werden sich garantiert Werke im Original-Repertoire finden, die absolut faszinierend sind. Wir müssen nicht jede Komposition mit Beethoven, Wagner oder Schoenberg vergleichen. Stattdessen hat jedes Werk seine Berechtigung, wenn es schön und gut gespielt wird.
- Oft wollen wir uns über die Schwierigkeit der Stücke profilieren, wir wollen zeigen:
„Guck mal, so eine schwere Bach-Fuge, das bekomme ich auf der Gitarre hin!“
Und dieser Ehrgeiz kann ein Stück weit motivierend sein - er kann aber auch zur Falle werden. Indem wir nämlich an diesem Anspruch scheitern und es uns eben nicht gelingt, die Fuge so toll zu spielen.
Weil uns dazu vielleicht technische oder auch die kognitiven Fähigkeiten fehlen - oder noch nicht so ausgebildet sind - und wir deshalb unser Ziel leider nicht in einer überschaubaren Zeit erreichen können und schließlich irgendwann frustriert abbrechen. - Die Lautstärke ist der Punkt, über den Sie sich die allerwenigsten Gedanken machen sollten. Denn wenn das ein Problem ist, dann greifen Sie besser gleich zur E-Gitarre. Man muss an der Gitarre einfach das akzeptieren, wofür man sie liebt - wie bei einem Menschen. Wir lieben sie für ihren Klang, wie sie ausschaut und wie sie sich im Arm und unter den Fingern anfühlt - es macht Spass darauf zu spielen und sich auszudrücken. Das ist das Entscheidende und das ist auch, was das Publikum überzeugt.
Generell gilt deswegen:
- keine Überforderung
- nicht zu schwere und zu lange Stücke
- kein Stress wegen der Lautstärke
- holen Sie sich eine Gitarre, die besonders schön klingt und Ihre musikalische Botschaft transportieren kann. Die Lautstärke ist sekundär
- nicht zu viel Ehrgeiz, andere beeindrucken zu wollen
Bringen Sie Erfolgserlebnisse und Freude in Ihre Spiel, indem Sie sich an dem erfreuen, was Ihnen gelingt und gut klingt.
Ihr höchstes Ziel ist, Musik zu verstehen, mit Musik zu leben, sie auszudrücken und sie anderen Menschen weiter zu geben. Das ist die Botschaft. Wenn das im Vordergrund bleibt, immer - in jeder Phase des Arbeitens - dann werden Sie Ihre Ziele erreichen und den Sinn von Musik erfüllen.
Haben Sie noch Fragen oder möchten Sie Ihre eigene Erfahrungen erzählen, dann rufen Sie mich an
Ich führe Sie mit dem WULFIN LIESKE ARTISTIC MENTORING zu Ihren persönlichen musikalischen Zielen. Dabei sehe ich Sie in Ihrer individuellen Ganzheit und führe Sie zu neuen künstlerischen Ebenen.